Ferngesteuerte Zukunft
Das ist die Vision für die Zukunft des Autos: wie von Geisterhand gesteuert findet das Auto selbstständig und in dauernder Kommunikation mit anderen seinen Weg ins vorher festgesetzte Ziel. Keine Auffahrunfälle mehr – der Fahrer wird vor Gefährdung gewarnt und beschützt – jedes Auto wird über Satellit geortet und gelenkt – der Verkehr fließt ruhig und stetig. Ja im Grunde braucht man weder Warnschilder noch Hinweise – alles geschieht mit künstlicher Intelligenz. Brauchen wir noch einen Führerschein? Ich weiß es nicht.

Die großen Autofirmen lästern gegen diese Vision. Sie sagen: wir wollen dem Fahrer die Freiheit des Fahrens lassen. Trotzdem zwingt der Konkurrenzkampf zum Einbau immer neuer Fahrhilfen. ABS und ESP entmündigen den Fahrer, wenn man es genau nimmt. Aber es ist ja zu seinem Guten. Unbestritten: die Unfallzahlen im Straßenverkehr würden sinken, auch die Zahl der Verletzten und Toten. Die Entmündigung des Fahrers hätte schon segensreiche Folgen. Dennoch zucken wir wohl innerlich bei dieser Vision der Zukunft zurück – denn Stück für Stück kommt uns in der Welt von morgen die Freiheit abhanden. Technik und künstliche Intelligenz übernehmen die Kontrolle.


Aber gibt es diese Freiheit wirklich? Psychologen und Hirnforscher haben diesen Mythos der Moderne im Maßstab der Alltagsentscheidungen infrage gestellt. Wir sind viel mehr von Reizen und Neigungen gesteuert als wir es wahrhaben wollen. Die Freiheit des autonomen Menschen steht quasi nur auf dem Papier. Das Gehirn braucht verlässliche Handlungsmuster, um sich die Arbeit im komplexen Lebensumfeld zu erleichtern. Darum greifen wir so gern nach einem angebotenen Stück Schokolade – „sieben Wochen ohne” hin oder her. Darum trinken wir so gern Coca Cola – die Werbung macht´s.

Die Freiheit eines Christenmenschen
Hartnäckig aber halten wir Theologen an der Freiheit des Denkens und der Entscheidung fest. Wir lesen die Bibel und wollen nicht glauben, wir seien zwangsgesteuert. Adam und Eva hatten die Wahl, sich vom Baum des Lebens und der Erkenntnis fernzuhalten. Da war wohl die Verführungskunst der Schlange – aber ethische Maßstäbe hatten sie und Gott ließ sie tun und lassen, was sie wollten. Auch Kain und Abel hätten sich nicht gegenseitig erschlagen müssen – mag Eifersucht und Zorn noch so groß gewesen sein. Sie hatten die Wahl, denn es heißt „Du sollst nicht töten.”

Und Jesus – stehend auf der Zinne des Jerusalemer Tempeln, auf die ihn der Versucher geführt hatte, hatte ebenfalls die Wahl. Niemals werde ich dich anbeten – hebe dich hinweg, Versuchung. Er blieb standhaft und hatte auch noch die Kraft, zu begründen, warum er sich gegen Satan entschied. „Du sollst anbeten Gott, den Herrn allein.” Ohne Postulat des freien Willens ist dies undenkbar.
Der Gedanke von Schuld und Sünde macht ja nur Sinn, wenn wir die Freiheit der Entscheidung wirklich haben, wenn wir nicht in einem großen Zwangssystem leben.

Die Unschärfe regiert die Welt 
Glücklicherweise haben die Kernphysiker schon 1910 entdeckt, dass die Welt im Kern nicht berechenbar ist, also letztlich frei. Das lässt mich aufatmen. Wir sind also doch selbstbestimmte Wesen.
Die Freiheit ist in uns eingebaut. Schön wäre es, wenn wir ein ABS und ESP in uns hätten, die uns den richtigen Weg weisen könnten, wenn wir ins Schleudern kommen, doch darauf müssen wir verzichten. Als Kinder und selbst als Erwachsene müssen wir lernen, was richtig und gut ist, müssen wir mit der Nase darauf gestoßen werden, was Segen bringt und was Fluch. Es ist niemand da, der uns Äpfel der Erkenntnis reicht.

Die Last mit der Lust
Die Freiheit ist eingebaut – also auch die Verführbarkeit. Da setzt der Versucher an. Er wittert unsere Schwachstellen, weiß welche geheimen Wünsche wir haben. Es ist nicht nur lustig, wenn man Sarah Conner als Bildschirmschoner auf dem Computermonitor hat, es zeigt auch unsere Lust. Verführbarkeit und Versuchung entstehen durch die Sehnsucht nach Lust, die immer ungestillt zu sein scheint. Harmlos ist es, mit der männlichen Hand über das Blech eines Opel Kapitän zu streicheln, den man gerade restauriert hat. Weniger harmlos ist es, dies bei einer anderen Frau zu tun als der angetrauten. Wir sind nicht zur Monogamie geschaffen, wir sind verführbar, wir geben so gern unserer Lust nach – da wird es schwierig standhaft zu bleiben, wenn da nicht ein höheres Ziel locken würde.

Die wahre Liebe
Das höhere Ziel, um dessentwillen es sich lohnt, treu und gerecht zu bleiben, ist die wahre Liebe. In der Hochzeit versprechen sich ja Mann und Frau beieinander zu bleiben, weil sie sich lieben. Und nur wegen dieser Liebe, die höher ist als alle Vernunft, lohnt es sich, nicht seinen Obsessionen zu folgen. Glücklich der Mann und glücklich die Frau, die in der Liebe zum anderen Partner nicht nur ihrer Vernunft gehorchen, sondern sich auch ihrer Leidenschaft hingeben können. Wo dies gelingt, sprechen wir von tiefer Liebesbeziehung. Hoffentlich sind wir nicht nur auf der Suche danach.

Der Satan ist Experte für Liebesbeziehungen. Nicht dass er selbst richtig lieben könnte, davon wird in der Literatur nichts berichtet, so nehmen wir an, dass wenn es ihn gibt, er auch eigentlich niemanden richtig lieben kann. Vielleicht braucht er die Liebe nicht – ich aber glaube, dass er an seiner Liebesfähigkeit nur zerbrochen ist. Deshalb versucht er bei anderen einzubrechen und sie von der wahren Liebe abspenstig zu machen. Der Satan ist ein Seitensprungdetektiv, nun aber handelt es sich um einen besonderen , nämlich den gegen das erste Gebot gerichtete. „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir.” Umgekehrt formuliert: Du sollst Gott den Herrn lieben von ganzer Seele und ganzem Gemüt – so haben es Jesus, aber auch Martin Luther gefasst.

Der Seitensprungdetektiv
Im Hiob-Buch wird abenteuerlicherweise geschildert, wer diesen Detektiv mit dem Rund-um-die-Uhr-Beschattungsauftrag angestellt hat – Gott selbst. Eine sehr gewagte Sichtweise der Autoren dieses Weisheitsbuches. Ich glaube, dass es darum in jener Zeit, als das Buch entstand, auch Kontroversen gegeben hat. Dennoch wurde es später in den Kanon der heiligen Schriften aufgenommen. Warum? Weil in jenem Buch die tiefe Sehnsucht nach höherer Gerechtigkeit zum Ausdruck kommt: was tut Gott, wenn der Gerechte trotz aller bösen Anfechtungen standhaft bleibt? Kann er auf ewig den Satan weiterversuchen lassen?

Treue zu Gott
Nein – das tut Gott natürlich nicht, wenn er es überhaupt so tut. Die Geschichte von der Versuchung Jesu soll eines mit ganzer Klarheit zeigen: dieser Jesus bleibt dem Vater treu. In der Rückschau vom Berg Golgatha auf sein Leben – und darum handelt es sich ja bei den Evangelien – gibt es keine dunklen Bereiche auf diesem hellen Bild des Gottessohnes: Jesus ist treu bis in den Tod. „Darum hat ihn Gott erhöht” hat Paulus schon einige Jahre zuvor im Philipperbrief geschrieben.

Halten wir fest: in Welt und Mensch ist die Freiheit eingebaut. Gott übt keine Fernsteuerung. In diesem freien Willen kann sich der Mensch für oder wider die Liebe zu Gott entscheiden. Die Versuchung ist ebenso wie die Freiheit eingebaut – ob wir dies einem „Versucher” in die Schuhe schieben wollen, ist letztlich uninteressant. Es geht um unsere Liebesfähigkeit, um unsere Treue. Wir sollen uns so entscheiden wie Jesus – der Mensch lebt nicht von der Erfüllung seiner Lüste allein, sondern eben aus der tiefen Liebesbeziehung zum Schöpfer, also aus dem Glauben.

Liebst du schon?
Aus diesem Glauben heraus können wir uns gegenseitig fragen: „Wohnst du noch, oder lebst du schon – konsumierst du noch oder liebst du schon?”